Vikar

David Schreiber (geboren 1977) ist seit Oktober 2022 Vikar in der Gemeinde. Ursprünglich stammt er aus dem Rheinland (Leverkusen), hat dann viele Jahre im Raum Hamburg gelebt und dort nach einem Fachhochschulstudium im sozialen Bereich gearbeitet. Mit Mitte 30 hat er noch ein Theologiestudium begonnen, das er in Hamburg, Greifswald und Kiel absolvierte, gegen Ende auch Online-Kurse in Oberursel. Die Berufung ins Vikariat hat ihn nach Darmstadt geführt.

Zu seinen Freizeitinteressen gehören Lesen, Natur, interessante Orte und etwas Musizieren

Kontakt: schreiber@selk.de


Kirche und Politik

Das Evangelium als Kompass

Februar 2024

In der unruhigen politischen Stimmung, die zurzeit im Lande herrscht, treibt nicht wenige Christen die Frage um, wie man sich wohl am besten verhält. Manche Kirchenvertreter meinen den Gläubigen einschärfen zu müssen, welches politische Verhalten redlich ist und welches nicht. Ist das aber die Mission, die unser Herr Jesus Christus uns aufgetragen hat?

Der Auferstandene sagt zu den Aposteln, sie sollen Menschen auf den Namen des dreieinigen Gottes taufen und sie alles lehren, was Gott ihnen befohlen hat (Mt 28,18-20). Christus will die Menschen von Sünde, Tod und Teufel retten, hinüber ins ewige Leben. Mit seinem Auftrag, das Evangelium zu verbreiten, sind wir Christen allezeit in der Welt unterwegs.

Die Anfänge der Mission erfahren wir in der Apostelgeschichte des Lukas, der als Arzt mit Paulus durchs Römerreich reiste. Die Apostel und ihre Helfer predigten den auferstandenen Christus und wurden dafür angegriffen. Besonders die Botschaft von der Auferstehung der Toten war für die Menschen der Antike provokant (vgl. Apg 17,24-34). Ist das heute so viel anders? Die Apostel jedenfalls blieben standhaft und endeten teils als Märtyrer im römischen Strafvollzug.

Nirgends in der Schrift lesen wir, dass Christen für oder gegen Rom auf die Straße gehen sollten. Zum einen mahnt Paulus die Gemeinden, sich der weltlichen Obrigkeit unterzuordnen (Röm 13,1-7). Und dann hören wir von ihm (Röm 12,2; 1. Kor 2,5), von Petrus (1. Petr 4,2) und von Jesus selbst, dass wir uns als Christen trotzdem nicht dem Meinungsspiegel der Welt anpassen sollen. Im Gegenteil: „Alle Welt wird euch hassen, weil ihr euch zu mir bekennt. Aber […] bleibt standhaft, dann gewinnt ihr das ewige Leben“ (Lk 21,17-19).

Das ist kein Aufruf zu Demonstrationen für oder gegen politische Richtungen oder „den Staat“. Es geht um Verbreitung der frohen Botschaft und um das Bekennen des Glaubens auch in unchristlicher Umgebung. Dazu gehören freilich ethische Einstellungen – verbunden mit Werten, die vielen Menschen heute als sehr konservativ erscheinen. Wenn Christen Position beziehen (z.B. für den Schutz ungeborenen oder behinderten Lebens), müssen sie mit starkem Gegenwind rechnen.

Dabei macht frommer Glaube immun gegen alle möglichen Einflüsse – auch gegen Diktaturen. Ein Märtyrer wie Dietrich Bonhoeffer schöpfte seine Widerstandskraft im Dritten Reich aus einer biblischen Theologie, die vielen damals wie heute als nicht zeitgemäß erschien. Wenn ein Staat Dinge tut oder verlangt, die mit christlicher Lehre völlig unvereinbar sind, kann Glaube in den Widerstand führen.

Das Problem der Volkskirchen ist immer wieder eine zu starke Nähe zum Zeitgeist, egal welcher Couleur. Unsere selbständige lutherische Kirche definierte sich im Ursprung gerade durch die Abgrenzung vom Staat. Die Vorläuferkirchen der SELK in Preußen, Hessen und anderswo wehrten sich gegen drei Entwicklungen: (1) den Einfluss des Staates auf die Kirche, (2) die Union mit den Calvinisten und (3) den wachsenden Rationalismus und Liberalismus. Auch mit Letzterem, wenn er zur Doktrin wird, gerät bekennender Glaube in Konflikt. Umgekehrt müssen Christen aufpassen, dass sie nicht völkischen Bewegungen auf den Leim gehen, die mit ein paar Themen ins christliche Horn blasen.

Als Christ dient mir das Evangelium als Kompass. Auf dieser Grundlage sollte es jedem von uns selbst überlassen sein, ob man sich politisch eher links oder rechts (oder gar nicht klar) orientiert. Und ob jemand an Demos teilnimmt oder nicht. Der Kompass verhindert ein Abgleiten in Extremismus und ideologische Verblendung.

In der momentanen Stimmungslage ist mehr denn je christliche Gelassenheit gefragt. Christus hat uns keinen Frieden auf Erden versprochen. Er hat uns prophezeit, dass am Ende der Zeit das Chaos noch zunimmt (Mt 24,6). Doch er hat die Welt überwunden (Joh 16,33). Er hat uns mit seinem Blut erlöst; dadurch zieht er uns mit sich in Gottes Reich. Dort wird es kein politisches Gerangel mehr geben. Und keine politische Instanz dieser Welt entscheidet darüber, wer am Ende in den Himmel kommt.